Kaempfer, Engelbert, Arzt und Forschungsreisender, * Lemgo 16.9.1651, † ebd. 2.11. 1716, kam 1683 als Sekretär einer schwed. Gesandtschaft über Moskau nach Persien, das er in vier Jahren gründlich erforschte, und er bereiste dann Arabien, Indien, Sumatra, Java und Siam. Das nach seinem Aufenthalt in Japan (1690-92) gewonnene Japan-Bild blieb bis ins 19. Jahrh. für Europa maßgebend. Der größte Teil seines wissenschaftl. Nachlasses liegt jedoch noch unveröffentlicht im Brit. Museum in London. Werke: History of Japan and Siam, 2 Bde. (aus dem Nachlaß 1728; Neuaufl. 1906; dt. 1777-79; Neudruck 1964); Am Hofe des pers. Großkönigs, bearb. V. W. Hinz (1940). K.Meier-Lemgo: E.K. (1937).
Neuere Literatur:
Haberland, Detlef:
Von Lemgo nach Japan. Das ungewöhnliche Leben des Engelbert Kaempfer, Westfalen Verlag Bielefeld 1990
Engelbert Kaempfer wuchs in einem Umfeld auf, das seine Laufbahn in gewissem Sinn begünstigte. Der Vater Johannes Kemper war nicht nur höchster geistlicher Würdenträger der Stadt Lemgo, sondern auch Angehöriger einer Gilde der bürgerlichen Oberschicht und pflegte Beziehungen zum gräflichen Hause Lippe. Er sorgte dafür, dass seine Söhne eine standesgemäße Bildung erhielten. Inwieweit Johannes Kemper in die Lemgoer Hexenprozesse verwickelt war, lässt sich nicht mit Sicherheit klären. Es ist kein Engagement für die Hexenprozesse festzustellen, aber auch kein deutlicher Protest dagegen, insbesondere nicht gegen die Verurteilung und Verbrennung seines Amtsbruders und Schwagers seiner Frau Andreas Koch als Zauberer. Auf jeden Fall sollte sein Sohn Engelbert, der sich für Naturwissenschaften interessierte, eine Karriere als Gelehrter machen.
Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten der damaligen Zeit, dass nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges einerseits das menschliche Selbstbewusstsein gelitten hatte, und das Barockzeitalter, wie das Pathos in Kaempfers Briefen zeigt, zwischen düsterer und heiterer Lebensstimmung schwankte.
Andererseits war die Bereitschaft für ungewöhnliche Unternehmungen gestiegen. Das theologische Wissen , aber auch die Tugenden der Gelehrsamkeit der gerade aufkommenden Naturwissenschaft reichten für eine erfolgreiche Karriere nicht mehr aus. Die Qualitäten eines Weltmannes mit gutem Benehmen waren bei Hofe gefragt. Kaempfers Persönlichkeit war von Wissensdurst, Aufbruchsstimmung und Reiselust geprägt, wobei die Unruhe, mit der er als Schüler die Gymnasien wechselte, einer damals üblichen Gepflogenheit der Söhne aus höheren Schichten entsprach. Auch die Entstehung des Absolutismus spiegelt sich in Kaempfers Lebenslauf wider, denn seine „Valedictio“ (1673), die eine Rechtfertigung der absoluten Monarchie darstellt, entsprach seinem Bedürfnis, einmal eine Stellung bei Hofe zu erringen. Er fühlte sich dem Adel näher als dem Bürgertum.
Die wissenschaftliche Leistung Engelbert Kaempfers bestand darin, dass er durch seine botanischen, zoologischen und medizinischen Beobachtungen mit vielen damals verbreiteten Ammenmärchen über Krankheiten und über die Herkunft mancher fremdländischer Produkte und Arzneimittel aufräumte. So glaubte man zum Beispiel damals, dass „Borometz“ , das Fell ungeborener Lämmer von Karakulschafen (Persianer), die Frucht einer Pflanze sei. Kaempfers genaue Beobachtungen der Symptome von Tropenkrankheiten, seine Entdeckungen unbekannter Pflanzen , zum Beispiel des Ginkgo- Baumes (auch Fächerblatt- oder Elefantenohrbaum genannt), stellten Meilensteine in der Geschichte der Naturerkenntnis dar.
Als Engelbert Kaempfer Japan bereiste, hatten es die Japaner noch bei Todesstrafe verboten, Informationen über Japan ins Ausland zu tragen. So verbrachte Kaempfer einen großen Teil seiner Zeit in Japan „interniert“ auf der Nagasaki vorgelagerten künstlichen Insel Deshima. Seine Beobachtungen, Aufzeichnungen und Reisen in Japan musste er wegen der strengen Bewachung heimlich durchführen. Kaempfer sprach selbst nicht Japanisch und versuchte deshalb, die Fülle der japanischen Bezeichnungen von Pflanzen, Ortschaften usw. in lateinische Buchstaben zu übersetzen, was allerdings nicht immer korrekt gelang. Seine Beschreibungen und unzähligen Zeichnungen, die er auf seinen Reisen in Persien und Japan anfertigte, befinden sich teilweise noch heute in nicht edierten Skizzenbüchern im Britischen Museum in London. 1979 zeigte das Britische Museum in einer Ausstellung der schönsten Blumendarstellungen neben Werken von Albrecht Dürer und Matthäus Merian d.Älteren auch Zeichnungen von Engelbert Kaempfer. Außerdem wurden zwei von 29 chinesischen Farbdrucken ausgestellt, die Kaempfer 1694 aus Japan nach Lemgo mitgebracht hatte und die später nach England verkauft wurden. Diese auf dünnem Reispapier gedruckten „Kaempfer-Drucke“ bewahrten ihre urtümliche Farbenkraft und gehören heute zu den gesuchtesten Graphiken der Welt. Seit 1926 begann mit den Untersuchungen von Karl Meier-Lemgo und Walter Hinz eine intensive Kaempferforschung. Theodor Heuss würdigte die Erzählkunst E. Kaempfers in der „Schattenbeschwörung“ (1960). Die 1971 gegründete „Engelbert-Kaempfer-Gesellschaft Lemgo e.V. Deutsch-Japanischer Freundeskreis“ hat sich zum Ziel gesetzt, das Werk und Vermächtnis Kaempfers zu pflegen.
Vom 14.9.2001 – März 2002 fanden anlässlich seines 350. Geburtstages viele Veranstaltungen und Vorträge in Lemgo statt, u.a. eine Ausstellung im Institut für Lippische Landeskunde unter dem Titel:
Ginkgobaum und Riesenkrabbe
Autor: Gerhard Glombik
Der Ginkgo- Baum (lat. Ginkgo biloba) ist einer eigenen botanischen Familie zuzurechnen (lat. Ginkgoaceae), in der er gleichzeitig als einzige Art vertreten ist. Man könnte ihn als ein lebendes Fossil bezeichnen, da er schon vor 150 Millionen Jahren seine größte Verbreitung erfahren hatte; andere fossile Ginkgo-Arten gab es bereits vor ca. 300 Millionen Jahren.
Nach Klimaveränderungen in der Erdgeschichte hielt sich Ginkgo biloba nur in China und wurde von dort in andere Teile Asiens gebracht, z.B. nach Japan. Der Baum wurde hier häufig an Tempeln, in Parks und in den Gärten der Wohlhabenden gepflanzt. Heute säumen Ginkgos auch Straßen in New York, und sie erweisen sich auch in der modernen Großstadt als ausgesprochen widerstandsfähig. Ein Ginkgo kann über 1000 Jahre alt und bis zu 40 Meter hoch werden. Seine Blätter erinnern an die Form eines Fächers, weswegen er auch Fächerblattbaum oder auch Elefantenohrbaum genannt wird. Erstaunlich aber ist die Fortpflanzung des Ginkgo. Der Baum ist zweihäusig, das heißt, es gibt weibliche und männliche Bäume, die erst im Alter von etwa 30 Jahren Blütenstände ausbilden.
Im Jahre 1895 entdeckte ein japanischer Forscher, dass die Eizellen der weiblichen Blütenstände von beweglichen männlichen Spermazellen befruchtet werden; alle anderen heute existierenden Pflanzen außer Farnen und Cycasgewächse haben unbewegliche Samenzellen. Die zunächst unscheinbar aussehenden weiblichen Samenanlagen wachsen, ob befruchtet oder nicht, nach einiger Zeit zu „Früchten“ heran, die Mirabellen ähnlich sind. Dabei sind diese Gebilde genau genommen keine Früchte, und für den menschlichen Verzehr ist das äußere Fruchtfleisch nicht geeignet. Beim Ginkgo wachsen die Samenanlagen, die wie Früchte aussehen, eventuell auch ohne eine Befruchtung heran, was ein Forscher auf den Begriff brachte: „Der Ginkgo legt Eier“. Eine Befruchtung kann auch stattfinden, nachdem die mirabellenartige Samenanlage schon vom Baum gefallen ist. Der männliche Pollen wird mit einem Tröpfchen eingefangen und durch eine kleine Öffnung (Mikropyle) ins Innere der Samenanlage geschleust. Hier erzeugt der Pollen bewegliche Spermatozoide, die sich auf die Eizelle im Innern zubewegen und mit ihr verschmelzen. Ist kein männlicher Ginkgo-Baum in der Nähe, sterben die Samenanlagen ab. Hat aber eine Befruchtung stattgefunden, entwickelt sich der eigentliche Same des Ginkgo als eine Art Nuss, die durchaus essbar und gebrannt sogar eine begehrte Delikatesse ist. Den Namen Ginkgo verdanken wir wahrscheinlich einem Fehler Engelbert Kaempfers, der Ginkyo wie Ginkgo las. Goethe wurde durch das Blatt des Ginkgo-Baumes 1815 zu nachdenklichen Versen inspiriert. Auf dem Schulhof des Johanneum wurde zum Gedenken an Engelbert Kaempfer 1992 ein Ginkgo-Baum gepflanzt.