Edzard Schmidt-Jortzig: Detailinformationen

Man könnte Professor Edzard Schmidt- Jortzig in eine Reihe von Liberalen stellen, die das Johanneum in de letzten 150 Jahren hervorgebracht hat: Zum Beispiel Georg Theodor Meyer, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 1848, Rudolf von Bennigsen, Vorsitzender der Nationalliberalen und Gegenpol Bismarcks ab 1878, und der Altphilologe und Sprachforscher Hermann Jacobsohn , der sich in der Weimarer Republik aktiv in der DDP engagierte und sich 1933 das Leben nahm, nachdem er von den Nationalsozialisten aus dem Staatsdienst geworfen worden war. Die liberale Haltung von Professor Schmidt- Jortzig lässt sich an einigen Beispielen aus seiner Zeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages 1994 – 2002 und als Bundesminister der Justiz 1996- 98 verdeutlichen:

Vor der Bundestagswahl 1998 sprach sich Schmidt- Jortzig für einedeutsche Staatsbürgerschaft für die in der Bundesrepublik geborenenKinder ausländischer Staatsbürger aus, die er gegen die Unionsparteiendurchsetzen wollte (LZ vom 21.8.1998). Zum NPD- Verbotsantragvor dem Bundesverfassungsgericht äußerte er sich als rechtspolitischerSprecher der FDP- Fraktion in einer aktuellen Stunde im Bundestag im Januar 2002 kritisch zum Vorgehen von Bundesinnenminister Schily.Wenn man V- Leute, die selbst politisch vorbelastet seien, als Zeugengegen die NPD aufbiete, so dass dies zum Scheitern des Verbotsantragsführe, könnte es eher den rechtsextremen Kräften nützen.

In der Bundestagsdebatte über Stammzellforschung am 30.1. 2002 plädierte Schmidt- Jortzig für den Import embryonaler Stammzellen ( Antrag der FDP- Fraktion und der CDU- Gruppe Hintze, Schäuble u.a.). Er zeigte dabei deutlich seine christliche Einstellung, indem er auf die Schutzbedürftigkeit des menschlichen Embryos und auf die Menschenwürde verwies, die in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen gegründet sei. Aber er wandte sich auch gegen ein absolutes Importverbot, begründet mit einer „emsigen Dogmaverkündigung“, die die Menschenwürde jeder menschlichen Zelle zusprechen wollte. Man komme um den schwierigen Abwägungsprozess „Leben gegen Leben“ nicht herum. Christen und Liberale haben nach Schmidt-Jortzigs Überzeugung eines gemeinsam: Beide unterstreichen die Autonomie der Person. Christlicher Glaube sei keine Privatsache, meint Schmidt- Jortzig, der seit 1997 Mitglied der Synode der EKD ist. Allerdings sei die Form der Kirchensteuererhebung wahrscheinlich auf Dauer reformbedürftig.

Dass Schmidt-Jortzig als Bundesminister der Justiz den so genannten „GroßenLauschangriff“, der vielen Liberalen und Sozialdemokraten über lange JahreBauchschmerzen bereitet hatte, weil man um die Freiheiten des Bürgers fürchtete, alshistorischen Kompromiss zustande brachte, wird wohl dauerhaft mit seinem Namenverbunden bleiben. Zur Einführung dieses Gesetzes wurde eine Grundgesetzänderung nötig. Der Artikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) wurde geändert und um 4 Absätze erweitert, die festlegen, in welchem beschränkten Rahmen der Einsatz des „Lauschangriffs“ zulässig ist.So muss eine mit drei Richtern besetzte Spruchkammer über jeden Antrag entscheiden undeine parlamentarische Kontrollkommission überprüft später alle Entscheidungen. Im Gesetzsind bestimmte Berufgruppen z.B. Geistlichen von Abhörung ausgenommen.

Auch bei der Bekämpfung des Terrorismus gebe es eine Spannung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und der Freiheit des Bürgers, erklärte Schmidt- Jortzig in seinem Vortrag am 30.1. 2003 vor Schülern der Oberstufe in der Aula des Johanneums. Es sei die Frage, wie viel Freiheit der Bürger aufzugeben bereit sei, um seine Sicherheit vor Terroranschlägen zu erhöhen: „Die Sicherheitsmaus beißt sich in ihren Freiheitsschwanz“. Am Beispiel der Verhaftung und des Prozesses gegen Mounir al-Motassadeq beim Oberlandesgericht Hamburg wegen der Verwicklung in die Terroranschläge vom 11. September 2001 verwies Schmidt-Jortzig auf den sichtbaren Erfolg eines „Lauschangriffs“.

Auf die Frage nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern, die in diesem Zusammenhang und besonders nach dem Irrflug eines geistesgestörten Piloten über Frankfurt im Januar 2003 diskutiert wurde, antwortete Schmidt- Jortzig, man könne sich in dieser Krisensituation nicht auf die so genannte „Amtshilfe“ nach Artikel 35 Grundgesetz berufen, da der Einsatz von Kampfflugzeugen der Bundeswehr nicht mit den bisher schon praktizierten Aufklärungsflügen zur Suche von Vermissten oder der Katastrophenhilfe vergleichbar sei. Das Grundgesetz gestatte den Einsatz der Bundeswehr im Innern nur zum Schutz ziviler Objekte sowie zur Unterstützung der Polizei im Verteidigungsfall und zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die freiheitlich- demokratische Grundordnung (Art. 87 GG). Wenn man den Grundsatz der Trennung von Polizei und Militär in unserer Demokratie beibehalten wolle, müsse man den Fall eines terroristischen Angriffs extra in das Grundgesetz hineinschreiben, d.h. das Grundgesetz ändern.